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Bio-Labels in der Gemeinschaftsverpflegung – Ein Kommentar

Die deutsche Bundesregierung plant die Einführung eines Bio-Labels für die Gemeinschaftsverpflegung. Mit diesem neuen Label sollen Kantinen, Mensen und andere Großküchen dazu motiviert werden, ihren Bio-Anteil im Speisenangebot zu erhöhen. Die Auszeichnung soll dabei in drei Stufen erfolgen: Bronze (20-49% Bio-Anteil), Silber (50-89% Bio-Anteil) und Gold (90-100% Bio-Anteil). Doch ist diese Maßnahme wirklich ein Beitrag zu einer nachhaltigeren Ernährung oder lediglich ein Beispiel für Greenwashing?

Ein Kommentar:

Greenwashing ist eine Vorgehensweise, bei der Unternehmen oder Organisationen versuchen, sich umweltfreundlicher und nachhaltiger darzustellen, als sie tatsächlich sind. Dies kann durch die Verwendung von Symbolen, Begriffen oder Zertifizierungen geschehen, die dem Verbraucher suggerieren, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung umweltfreundlich ist. In der Praxis stellt sich jedoch häufig heraus, dass diese Versprechen nur unzureichend eingehalten werden.

Im Falle des geplanten Bio-Labels besteht die Gefahr, dass das Label als reines Marketinginstrument eingesetzt wird, ohne tatsächlich zu einer nachhaltigeren Gemeinschaftsverpflegung beizutragen. Die Abstufungen des Labels könnten dazu führen, dass bereits geringfügige Anpassungen im Speisenangebot zu einer höheren Auszeichnung führen und somit eine vermeintliche Nachhaltigkeit vorgaukeln. Hierdurch wird nicht nur das Vertrauen der Konsumenten in solche Zertifizierungen untergraben, sondern auch die Motivation der Gemeinschaftsverpfleger geschwächt, sich wirklich nachhaltig zu engagieren.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die mögliche Gewissensberuhigung der Konsumenten. Ein Bio-Label könnte dazu führen, dass Verbraucher sich ihrer Verantwortung für eine nachhaltige Ernährung entbunden fühlen und es dabei belassen, sich auf das Label zu verlassen. Dies kann dazu beitragen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten sowie der Herkunft und Qualität von Lebensmitteln vernachlässigt wird. Dabei ist es gerade die aktive Beschäftigung mit diesen Themen, die notwendig ist, um langfristig eine umweltbewusste Ernährungskultur zu etablieren.

Die Einführung eines Bio-Labels könnte zudem die Kostensituation der Gemeinschaftsverpfleger verschärfen. Bio-Lebensmittel sind oft teurer als konventionell produzierte Lebensmittel, was zum einen auf höhere Produktionskosten und zum anderen auf geringere Mengen zurückzuführen ist. Um das Label zu erhalten und somit den Ansprüchen der Konsumenten gerecht zu werden, könnten Gemeinschaftsverpfleger gezwungen sein, höhere Preise für ihre Speisen zu verlangen. Dies könnte insbesondere für öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Universitäten problematisch sein, da hier oft ein begrenztes Budget zur Verfügung steht und die Verpflegung für alle erschwinglich bleiben soll.

Alternativ könnten Gemeinschaftsverpfleger versuchen, die Mehrkosten für Bio-Lebensmittel durch Einsparungen an anderer Stelle auszugleichen. Dies kann jedoch zu Qualitätseinbußen oder der Reduzierung des Speisenangebots führen, was wiederum den gesundheitlichen Aspekt der Gemeinschaftsverpflegung beeinträchtigen kann. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Einführung eines Bio-Labels in der derzeitigen Form tatsächlich zu einer nachhaltigeren und gesünderen Gemeinschaftsverpflegung führt oder ob die damit verbundenen Herausforderungen nicht vielmehr eine Verschlechterung der Situation bewirken.

Die geplante Einführung eines Bio-Labels für die Gemeinschaftsverpflegung ist grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung, um das Bewusstsein für eine nachhaltige und gesunde Ernährung zu stärken. Allerdings bergen die vorgesehenen Abstufungen die Gefahr des Greenwashings und einer Gewissensberuhigung der Konsumenten. Zudem könnte die Kostensituation der Gemeinschaftsverpfleger dazu führen, dass das eigentliche Ziel einer nachhaltigen und gesunden Verpflegung nicht erreicht wird.

Um diesen Risiken entgegenzuwirken, sollten die Kriterien für das Bio-Label transparent und nachvollziehbar sein und über den reinen Bio-Anteil hinausgehen. Aspekte wie regionale und saisonale Produkte, artgerechte Tierhaltung oder soziale Standards sollten ebenfalls Berücksichtigung finden. Auch die Zusammenarbeit mit Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen könnte dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit des Labels zu erhöhen.

Darüber hinaus sollten Anreize geschaffen werden, um Gemeinschaftsverpfleger bei der Umsetzung einer nachhaltigen und gesunden Ernährung finanziell zu unterstützen. Dies könnte beispielsweise durch Förderprogramme oder steuerliche Vorteile geschehen. Schließlich ist es wichtig, die Konsumenten weiterhin für die Thematik der nachhaltigen Ernährung zu sensibilisieren, um eine langfristige Veränderung des Konsumverhaltens zu erreichen. Denn nur so kann die Einführung eines Bio-Labels in der Gemeinschaftsverpflegung tatsächlich zu einer nachhaltigen Verbesserung beitragen.

Der Kommentar wurde verfasst von GV-future-Herausgeber Tim Oberstebrink (FCSI)

 

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