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Netzwerk Culinaria – Expertenbericht zum Thema Veranstaltungen und Hygieneschutzkonzepte

Es wurde quasi über Nacht eine eigene Fachdisziplin – Hygieneschutzkonzepte für Veranstaltungen. Während sich Caterer und Gastronomen seit jeher mit dutzenden Hygienevorgaben für Lebensmittel, Mitarbeiter, Techniken und Räume befassen, kommen nun komplett neue Aspekte hinzu. „Unsere zusätzliche Aufgabe ist es heute, die gesunden Gäste vor potenziell infektiösen zu schützen“, verdeutlicht Küchenmeister Thomas B. Hertach, der als Leiter Netzwerk Culinaria gemeinsam mit Partnern wie MKN, Meiko, Hupfer, Cool Compact und Melitta seit zwei Jahrzehnten große Branchenveranstaltungen organisiert. „Wir übernehmen als Veranstalter heute zusätzliche Aufgaben, die allen viel abfordern: etwa neues Wissen um medizinische Aspekte, zu technischen Hilfsmitteln, aber auch in der Kommunikation mit Gästen.“

Stellschrauben für weniger Risiko

Um ein behördentaugliches und möglichst sicheres Konzept für Veranstaltungen auf die Beine zu stellen, gelte es, viele Optionen auszuloten und dabei teils weit über 100 Prüfaspekte unter die Lupe zu [newsletter_lock]nehmen, so Netzwerk Culinaria-Unterstützer Armin Wenge, Geschäftsführer von Delphi Lebensmittelsicherheit. Sein Hygiene-Institut hat dafür einen Leitfaden mit Prüfmatrix entwickelt, der in Verbindung mit einem digitalen QM-Tool zeitsparend durch das Dickicht an Vorgaben und Prüfaspekten leitet. Bundesweit einzigartig: Er schult und zertifiziert mit Partnern zum „Hygienebeauftragten für Veranstaltungen“. Den Anstoß dazu gaben Anfragen kurz nach dem Lockdown, so begleitete er kürzlich regionale Veranstalter und Caterer.

Fokus KO-Kriterien

Auf dem Weg zu einem sicheren Hygienekonzept empfiehlt Wenge in einem ersten Schritt, die wesentlichen Risikofaktoren eines Events detailliert abzuklopfen: Gäste, An- und Abreise, Location, Personal und Art des Events“. Beispiel Risikofaktor An- und Abreise: Behörden bewerten nach ersten Erfahrungen vor allem bei Großveranstaltungen mit über 1.000 Teilnehmern das Risiko als hoch. Doch das muss kein Killerkriterium sein: „Entscheidende Pluspunkte in jüngsten Hygienekonzepten erhielten die Veranstalter, die geeignete Anreize für einen Umstieg von Bus und Bahn auf den Individualverkehr setzten, etwa durch kostenlose Parkplätze.“ Zumal bei vermindertem Besucherkontingent dann in der Tat ausreichend Parkfläche vorhanden waren. Sein Erfahrungswert: Die zulässigen Teilnehmer-Kontingente reduzieren sich meist um zwei Drittel.

Als Fundament fließen in das Gerüst für ein Standardkonzept alle geltenden Vorschriften ein, etwa die Bundesland-spezifischen Corona-Schutz-Verordnungen nebst der bekannten AHA-L[2]-Regeln. „Dieses Gerüst erweitern die Hygieneverantwortlichen mit speziellen Faktoren für ihre eigene Veranstaltung,“ erläutert Wenge.

Zu den vielen organisatorischen Maßnahmen zur Risikominderung zählen sowohl verpflichtende als auch freiwillige: die besondere Nachverfolgbarkeit, garantiert über einen festen Sitzplan, One-Way-Lösungen, Ticketing als Zugangskontrolle, Warteschlangenmanagement, freiwillige Quarantänen für das Personal oder andere Beteiligte, Kontakttagebücher vor einem wichtigen Event und vieles mehr.

Die Empfehlung von Wenge: „Kann ein KO-Kriterium wie der Mindestabstand von 1,50 Meter nicht durchgehend garantiert werden, loten wir ausgleichende Maßnahmen aus, die von den Behörden akzeptiert sind.“ Neben einer Maskenpflicht ist das u.a. der Sitzplan, der die besondere Rückverfolgbarkeit sichert. „Auch wir fertigen den Sitzplan für eigene Präsenzveranstaltungen immer an, um im Ernstfall die Gesundheitsbehörden gut unterstützen zu können.“

Mehr Frischluft, weniger Aerosole

Immer mehr an Bedeutung gewinnen in Hygieneschutzkonzepten Technische Maßnahmen zur Risikominderung. Ganz oben auf der Agenda: das richtige Lüften bei Indoor-Events. Viel Frischluft und ein hoher Luftaustausch zählen laut Robert Koch-Institut (RKI) mit zu den wirksamsten Methoden, die Infektionsgefahr in Innenräumen zu mindern. Ob nun ein Lüftungsgerät als Keimschleuder fungiert oder für nahezu 100 % virenfreie Reinluft sorgt, hängt vom System und etwaigen Filtern ab. „Wichtig sind Techniken, die mit Frischluft arbeiten,“ betont Armin Wenge. Denn: „Lüftungsanlagen mit hohen Umluftanteilen können sich als Infektionsquelle erweisen.“ Das belegen internationale Studienergebnisse, die Corona-Ausbrüche in einem deutschen fleischverarbeitenden Betrieb analysierten. Daher lautet seine Empfehlung: „Falls sich Umluftanlagen, wie es bei älteren Modellen vorkommt, nicht auf hohe Frischluftanteile umstellen lassen, wäre deren Betrieb kontraproduktiv, wir empfehlen, sie derzeit nicht in Betrieb zu nehmen.“

Dazu ergänzt Fachplaner Peter Adam-Luketic, Geschäftsführer von vtechnik Planung: „Wer in neue Systeme auf Basis Frischluft investiert, sollte auf hohe Luftwechselraten achten.“ Herkömmliche Lüftungsgeräte für zu Hause oder kleinere Büros sind oft nur auf Luftwechselraten zwischen 0,4 und 0,6 eingestellt, bei gewerblichen Hochleistungsgeräten mit Filtern beträgt der Wert je nach Raumvolumen ein Vielfaches davon, bei 80 qm³ bis zu 20, das heißt, sie tauschen die Luft 20-mal pro Stunde aus. Übrigens: „Die raumlufttechnischen Anlagen nach VDI 2052, die in Küchen verbaut sind, haben ihren Wirkungsbereich auch nur dort. An der Tür zum Gastraum enden deren Möglichkeiten.“ Wer nahezu keimfreie Luft wie in OP-Sälen wünscht, benötigt Systeme mit Hepa-Filtern, die kleinste Partikelgrößen auffangen. „Geeignet sind dabei Anlagen mit H14-Filtern nach EN 1822, die sich als mobile Varianten in Gasträumen flexibel und nach Bedarf platzieren lassen“, so Adam-Luketic.

Auch eine natürliche Lüftung via Fenster, die Stoßlüftung, kann die Viruslast senken – sofern die Teilnehmer ständiges, kräftiges Lüften bei kühleren Außentemperaturen akzeptieren. Denn, so Wenge: „Eine wirksame Stoßlüftung ist bei Raumgrößen wie für Schulklassen mit 20 bis 30 Teilnehmern mindestens alle 20 Minuten für 5 Minuten durchzuführen.“

Ob das Lüften wirkt, lässt sich unkompliziert über eine Messung der CO2-Konzentration in der Raumluft ermitteln. Sie gilt als anerkanntes Maß für einen hinreichenden Luftaustausch: Alles bis zu 1.000 ppm ist noch akzeptabel. Zum Vergleich: Draußen liegt der Gehalt bei 400 ppm. „Solche einfachen CO2-Messgeräte haben wir auch in unseren Präsenzschulungen im Einsatz“, berichtet Wenge. „Sie sind für rund 100 Euro erhältlich und helfen uns als Veranstalter nicht nur unkompliziert beim Beurteilen der Luft. Sie sind eine echte vertrauensbildende Maßnahme für unsere Teilnehmer.“

Wo sehr viele Personen zusammenkommen, setzt man als eine Präventionsmaßnahme oft die kontaktlose Messung der Körpertemperatur mit Infrarotthermometern ein. „Auch das üben wir in unseren Tages-Schulungen zum Hygienebeauftragten für Veranstaltungen, denn es braucht eine fachgerechte Handhabung“, so der Hygiene-Experte. Allerdings bewertet er den Nutzen zurückhaltend: „Wir erfassen Gesundheitsdaten von eher niedriger Aussagekraft, auch, weil in den Messungen Ungenauigkeiten liegen, zum Beispiel durch normale Schwankungen der eigenen Körpertemperatur über den Tag.“

Dokumentation – günstig und krisensicher

Aus Sicht von Veranstaltungs-Profi Thomas B. Hertach von Netzwerk Culinaria empfehlenswert: „Wir haben in einem für unsere Zwecke adaptierten Hygieneschutzkonzept alles in ein digitales Tool [Fotos 3 – 6] übertragen. Das erspart uns viel Zeit und die Zettelwirtschaft, gibt uns jederzeit den schnellen Überblick. Und wir können gegenüber der Behörde die ordnungsgemäße Planung und Durchführung dokumentieren.“ Das digitale QM-Tool, entwickelt von Netzwerk Culinaria-Mitglied Flowtify, nutzt auch das Hygiene-Institut von Armin Wenge für Hygieneprüfungen. Lizenzgebühren oder laufende Kosten für eine App oder Software entfallen übrigens bei diesem QM-Tool: Pay per use – man zahlt je Prüfpunkt oder Frage 10 Cent. „Das ist vor allem für Nutzer interessant, die nur ein- oder zweimal im Jahr die App bzw. die Software nutzen“, so Daniel Vollmer, Geschäftsführer von Flowtify. „Wir haben Kunden, die 50 oder auch schon mal 100 Prüfaspekte im Jahr anlegen und einmal dokumentieren, dann betragen die Kosten lediglich 5 oder 10 Euro im Jahr.“

Fazit

Für Armin Wenge steht fest: „Hygieneschutzkonzepte werden uns auch in Zukunft begleiten, auch nach Corona.“ Infektionskrankheiten würden die Branche immer wieder durchziehen. Und: „Einige der Hygiene-Maßnahmen sind weiterhin sinnvoll, kosten wenig und zeigen auch schon positive Effekte bei anderen Infektionskrankheiten.“ Beispiel: Die dem RKI gemeldeten Infektionen mit Krankenhauskeimen (MRSA) gingen seit dem Lockdown zurück, und seit März wurde kein einziger Masernfall mehr gemeldet.

Zum Schluss: Kann man große, internationale Messen auch hygienesicher durchführen? „Selbstverständlich“, ist er überzeugt. „Zumal wir ja bald noch mehr präventive Mittel wie Schnelltests zur Verfügung haben. Und eine Messe wie die Internorga wird mit weniger, aber hochinteressiertem Fachpublikum vielleicht noch intensiver und informativer sein. Ich freue mich auf jeden Fall darauf.“

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