Wie jedes Jahr im Sommer befragt GV-future Unternehmen der Zulieferindustrie zu aktuellen Themen.
In dieser Woche befragten wir Madlen Maier, Gesellschafterin des schwäbischen Traditionsunternehmens Rieber.
GV-future: Frau Maier, können Sie uns einen kurzen Überblick über Ihr Unternehmen geben und uns darüber informieren, wie es sich auf die Herausforderungen in der modernen Großküchentechnik ausrichtet?
Madlen Maier: Unser Traditions-Familienunternehmen mit Sitz in Reutlingen ist seit 1925 führender Komplett-Systemanbieter und entwickelt Catering–Innovationen für die Gemeinschaftsverpflegung. Über digitale Lösungen wie die Mehrwegorganisation per QR-Code oder die papierlose HACCP–Dokumentation bieten wir unseren Kunden nicht nur moderne, sondern vor allem nachhaltige, prozesseffiziente und vor allem Ressourcen schonende Gesamtlösungen aus Infrastruktur und digitalen Services. Dabei vernetzten wir unsere Produkte und Systemlösungen mit den Nutzern, um die aktuellen Herausforderungen der Branche zu lösen – beispielsweise Personalmangel, Energie- und Lebensmittelverschwendung sowie Einwegmüll.
GV-future: Wie kann die Digitalisierung und Automatisierung dazu beitragen, die Effizienz und Produktivität in Großküchen zu steigern?
Madlen Maier: Indem einerseits Speisenqualität und Lebensmittelsicherheit erhöht werden, und andererseits Prozesse vereinfacht werden. Damit lassen sich die Auswirkungen des Personalmangels erheblich reduzieren.
Vor allem der entkoppelte Cateringprozess birgt viele Fehlerquellen, an oberster Stelle stehen die Gefährdung der Lebensmittelsicherheit, Energie- und Lebensmittelverschwendung, falsche Kommissionierung und Behälterschwund. Das macht beispielsweise die digitale Rückverfolgung der GN-Behälter und Deckel besonders wertvoll. Gerade in der Versorgung von Kranken- und Pflegeeinrichtungen, da die hier digital hinterlegten Angaben zu Inhaltsstoffen, Allergenen und Kalorien die notwendige personalisierte Ernährung gewährleisten. Die vernetzten Geräte von Rieber sorgen durch ihre integrierten Assistenzsysteme auch für die Vermeidung von Fehlern, die durch den Personal- und Fachkräftemangel entstehen können: Das auf die Speisen abgestimmte Küchen-Equipment aus dem Rieber Connect-Sortiment wird so mit automatischen Programmen gesteuert, die Bedienung durch Fachpersonal ist hier nicht notwendig.
Ein weiterer Benefit ist das papierlose Handling der gesetzlichen Hygiene-Dokumentation nach HACCP. Sie erfolgt einfach und digital über „Check Cloud“ und spart 100 Prozent Papier, 80 Prozent Arbeitszeit und viel Archivplatz ein.
GV-future: Welche spezifischen digitalen und automatisierten Produkte bietet Ihr Unternehmen an, um die Arbeitsabläufe in Großküchen zu optimieren?
Madlen Maier: Digitalisierung an sich ist für uns nicht neu, bereits 2012 haben wir die ersten digitalen Prozesslösungen eingeführt und waren damit Vorreiter am Markt. Zentrales Organisationstool für all unsere digitalen Services ist der QR-Code. Über ihn erfolgt die digitale Mehrwegorganisation der GN-Mehrwegbehälter, er beinhaltet alle Informationen über den Behälterstandort, die enthaltenen Speisen und ihre jeweils lebensmittelspezifischen Anforderungen.
Für die bereits erwähnte papierlose HACCP–Dokumentation über das CHECK CLOUD System, stellt der QR-Code darüber hinaus den jeweiligen kritischen Kontrollpunkt zur Einhaltung der gesetzlich geforderten Temperatur- und Hygiene-Dokumentation dar.
Übrigens: Die zunehmend schwierige Verfügbarkeit von Arbeitskräften lässt außerdem die Nachfrage nach entkoppelten Verpflegungssystemen steigen. Abhilfe schafft hier Rieber Connect: Dabei können die Speisen mit wenigen App-Klicks sowohl im Cook & Chill- als auch im Cook & Freeze-Verfahren zu einer verzehrfertigen Mahlzeit zubereitet werden – ohne zusätzliches Personal oder eine notwendige Kücheninfrastruktur, vor allem aber ohne jeglichen Qualitätsverlust.
GV-future: Wie können energieeffiziente Geräte und nachhaltige Praktiken in der Großküchentechnik zur Senkung des Energieverbrauchs und zur Reduzierung der CO2-Emissionen beitragen?
Madlen Maier: Der Einsatz des langlebigen Mehrschichtmaterials „SWISS | PLY“ unseres Schweizer Tochterunternehmens Rieber | Alinox spart bis zu 30 Prozent Energie und Emissionen im Vergleich zu reinem Edelstahl ein. Zudem ist die Temperaturleitfähigkeit zehnmal höher – nicht nur punktuell, sondern über die gesamte Fläche hinweg. Das Mehrschichtmaterial, bestehend aus einem Aluminiumkern und zwei Edelstahlschichten, ist mit mehreren Tausend Einsatzzyklen enorm langlebig, 100 Prozent lebensmittelecht, recyclingfähig und durch seine antibakterielle Wirkung hygienisch einwandfrei. Dieses Material ist unser Herzstück und das energieeffiziente Mittel der Wahl in der Verpflegungsindustrie. Seine Beschaffenheit kompensiert nicht nur die Defizite von Einwegverpackungen und Mehrweglösungen aus Kunststoff, sondern sogar von reinem Edelstahl.Dieser verfügt nicht annähernd über eine solch hohe Energieleitfähigkeit wie „SWISS | PLY“.
GV-future: Wie unterstützt Ihr Unternehmen seine Kunden dabei, den Übergang zu energieeffizienten und nachhaltigen Küchengeräten und -Prozessen zu schaffen?
Madlen Maier: Indem wir praxisnahe Lösungen bieten, die einfach zu bedienen sind und dem Kunden signifikante Erleichterungen bringen. Deshalb werden sie auch gerne genutzt. Uns liegt es am Herzen, dass die Cateringbranche Berührungsängste mit neuen Technologien abbaut, denn für die Nutzung muss weder kostenintensiv investiert, noch müssen Handbücher zeitaufwendig studiert werden.
GV-future: Welche Maßnahmen bietet Ihr Unternehmen an, um die Hygiene und Sicherheit in Großküchen zu gewährleisten und gleichzeitig die Effizienz zu steigern?
Madlen Maier: Durch CHECK HACCP bieten wir eine digitale, besonders schnelle und sichere Antwort auf die analoge Zettelwirtschaft zur Erfüllung der HACCP-Dokumentationspflicht. Unser Kunde „Die Zieglersche e.V.“ verfügt am Standort Wilhelmsdorf beispielsweise über ca. 17.000 GN-Behälter und Deckel. Mit den digitalen Anwendungen von Rieber entfallen dort jährlich 175.000 Seiten Dokumentationslisten, 15.000 Euro Druck- und Papierkosten sowie 27 Tonnen Einwegverpackungen.
GV-future: Wie können digitale Technologien und automatisierte Systeme dazu beitragen, die Hygienestandards in Großküchen zu überwachen und aufrechtzuerhalten?
Madlen Maier: Unser CHECK System führt den Nutzer über Erinnerungsfunktionen und klare Arbeitsanweisungen durch die HACCP–Dokumentation. Bei Nichteinhaltung oder Versäumnis erhält der Verantwortliche einen umgehenden Alarm – das gewährleistet die Sicherheit und Konsistenz.
GV-future: Welche Rolle spielt das Mehrweg-Prinzip in Ihrem Produktportfolio und wie fördert Ihr Unternehmen dessen Einsatz in Großküchen?
Madlen Maier: Eine ausschlaggebende Rolle, denn durch unser auf dem QR-Code basierenden Mehrwegsystem wird der „einfache“ GN-Behälter zum digital vernetzten und organisierten Zentralelement in der Großküche. Der Kunde hat Sicherheit über sein Behältereigentum, muss keinen Schwund mehr verzeichnen und kann die Behälter insgesamt effizient managen: Es muss kein kostenintensiver Ersatz angeschafft werden, der früher oder später zwangsläufig auf die Essenspreise umgelegt werden muss und unter Umständen für Unmut bei den Endkunden sorgt.
Zudem vereinfacht das digitale Kommissionierungstool die kompletten Abläufe und spart so immens Zeit ein und gewährleistet zudem, dass keine Falschlieferungen versendet werden. Für uns als Hersteller ist dies ein komplettes Zusatz-Servicepaket, welches wir den Kunden neben den klassischen GN-Behältern aus Edelstahl anbieten können.
Beim oben schon erwähnten Kunden „Die Zieglersche e.V.“ werden durch die digitale Mehrwegorganisation beispielsweise 60 Prozent Zeit eingespart. Kosten für Falschlieferungen fallen quasi gar nicht mehr an, da sich die Quote der Fehllieferungen nur noch auf unter 0,3 Prozent belaufen.
GV-future: Wie kann die Umstellung auf Mehrwegsysteme zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in Großküchen beitragen?
Madlen Maier: 10.000 Tonnen – so viel bringt der Pariser Eiffelturm auf die Waage. Doch diese Zahl ist nur ein Bruchteil des Verpackungsmülls, der jedes Jahr in Deutschland entsteht. Laut Bundesumweltamt kommt man hier auf rund 19 Millionen Tonnen, das entspricht knapp 2.000 Eiffeltürmen. Durch den konsequenten Einsatz nachhaltiger Mehrwegsysteme lassen sich jährlich mehrere Eiffeltürme an Müll einsparen und die massive Energieverschwendung eindämmen. Müll ist somit eine der größten Herausforderungen der Lebensmittelversorgung und stellt gleichzeitig eine wichtige Stellschraube im Hinblick auf die Umweltbelastung dar.
Für die bessere Erfolgsmessung, Nachvollziehbarkeit und Motivation trackt unser digitales Mehrwegsystem die damit einhergehende Einwegeinsparung, in Kilogramm angegeben, live bei jedem Scanvorgang eines QR-Codes. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Kunden durch konkrete CO2–Einsparungen und entsprechende Zertifikate – die wir ihnen künftig für die Mehrwegnutzung ausstellen werden – einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erreichen können. Die jährlich eingesparten 27 Tonnen Einwegverpackungsmüll bei „Die Zieglersche e.V.“ zeigen beispielsweise sehr deutlich, dass es sich nicht um kleine Mengen handelt, die im Einzelnen nicht ins Gewicht fallen, sondern dass Großküchen generell ein enormes Einsparpotenzial haben.
GV-future: Welche Herausforderungen und Lösungen sehen Sie in Bezug auf die Implementierung von Mehrwegsystemen in der Großküchentechnik?
Madlen Maier: Mehrweg bedeutet eine Umstellung in den Prozessen und Abläufen, vorallem in der Spüllogistik. Wir haben für das Verbuchen der QR-Codes jedoch Scan-Einheiten entwickelt, die den Scanvorgang in der horizontalenermöglichen – sprich automatisiert am Verteilband und an der Spülstraße, ohne händischen Prozessschritt.
GV-future: Wie können Großküchen von der Einführung von Mehrwegsystemen profitieren und welche Unterstützung bietet Ihr Unternehmen bei diesem Übergang?
Madlen Maier: Großküchen profitieren vor allem deshalb von Mehrwegsystemen, wenn sie ausweisen können, wie viel Einwegverpackungen sie tatsächlich einsparen. Unser digitales System rechnet dies automatisch hoch und weist es entsprechend für den Kunden aus. Künftig wird auch in Deutschland der Einsatz von Einweglösungen gesetzlich verboten werden – in Frankreich ist das bereits Realität.
Wer also frühzeitig auf Mehrweg setzt, kann auch eine bessere Kundenbindung aufbauen: Denn Einwegmüll entsteht vornehmlich beim Endkonsumenten, der für die Entsorgung sorgen und bezahlen muss. Bei Mehrweglösungen fällt das natürlich in Gänze weg. Außerdem tragen diese Betriebe gemeinschaftlich dazu bei, unsere Umwelt zu schonen und die Speisenqualität zu erhöhen. Wir unterstützen unsere Kunden hierbei von der anfänglichen Beratung bis hin zur Installation und Schulung. Zudem entwickeln wir die Systeme stetig gemeinsam mit den Kunden weiter.
GV-future: Welche abschließenden Gedanken oder Ratschläge würden Sie den Betreibern von Großküchen geben, die ihre Betriebe im Hinblick auf Digitalisierung, Energieeffizienz, Hygiene und die Verwendung von Mehrwegsystemen optimieren wollen?
Madlen Maier: Legen Sie einfach los, die 100-prozentige Lösung wird nie ganz entwickelt sein, neue Infrastrukturen werden stets durch ‚trial and error‘ oder besser gesagt durch maßgeschneidertes Konfigurieren, im Prozess geboren. Wichtig ist es, den dringend notwendigen Wandel endlich zu starten, um unsere Verpflegungssysteme langfristig widerstandsfähig aufzubauen, nachhaltig als regionale Ökosysteme mit geringen CO2–Emmissionen.